Das Lied des Flusses. Handy verloren auf Bali!

von Julia Beckert

Wir sind an einem geheimen Wasserfall auf Bali. Marika fällt plötzlich auf, dass ihr Handy weg ist und vermutlich noch im Roller liegt. Sie geht los, um es zu suchen und ich beschließe, in dieser Zeit zu meditieren. Ich höre dem Fluss zu, wie er wild und ungezähmt an mir vorbeiströmt. Wassertropfen landen auf meiner Haut, verdunsten aber sofort mit dem warmen Schein der Sonne. Ich höre das Rauschen des Wasserfalls, spüre die feuchten Steine unter meiner Haut und wie hart und rau die Oberfläche ist, die mich in diesem Moment trägt. Ich konzentriere mich wieder auf das Lied des Flusses. Was will er mir sagen? Spricht er zu mir? Mir wird bewusst, dass das Rauschen durch die Steine entsteht, die dem Wasser den Weg versperren. Doch trotz der Hürden hört das Wasser nicht auf zu fließen. Es wird lebendig durch die kleinen und großen Hindernisse. Lebhaft! Egal wie viel Wasser kommt, egal wie groß die Steine sind: Das Wasser fließt und wird nicht damit aufhören.

Plötzlich stupst mich Marika an und reißt mich aus meinen Gedanken. Sie konnte ihr Handy nicht finden. Wir leeren alle Taschen, schauen in jeder Ritze und machen uns schließlich gemeinsam auf die Suche.  Wir bewegen uns langsam den steilen Pfad hinauf und schauen unter jede Stufe und erlauben uns nicht einmal, den Blick zu heben. Keine Spur. Irgendwann begegnen wir einem Balinesen. Marika fragt ihn, ob er ein Handy gefunden hat. Er verneint. Wir suchen weiter und bewegen uns im Schneckentempo den Weg entlang, bis wir wieder bei unseren Rollern ankommen. Wir halten uns ein paar Minuten auf und suchen erneut in allen Taschen. Als wir gerade aufbrechen wollen, kommt uns der selbe Balinese mit Marikas Handy winkend entgegen. Die Freudentränen und Dankbarkeit sind unbezahlbar.

Wir gehen zurück zum Wasserfall und denken über die Bedeutung des Ereignisses nach. Ist es nur eine Erinnerung, besser auf seinen Besitz aufzupassen? Ich glaube, da ist mehr. Hätten wir nur 30 Sekunden kürzer gesucht, oder den Helm nur etwas schneller aufgesetzt, hätten wir den Balinesen verpasst. Wären wir nicht mit so einer Hingabe auf die Suche gegangen und den Weg nur ein kleines bisschen schneller abgelaufen, hätte Marika ihr Handy wahrscheinlich nie wieder gesehen. Doch was sagt uns das? Ich denke wieder an den Fluss, der Tag für Tag einfach fließt. Die Natur, die ein perfektes System ist und nichts dem Zufall überlässt. All die Lebewesen, Pflanzen und Naturgewalten, die keine Fehler, sondern nur Wunder zulassen.

Der Schmetterling wird erst den Kokon verlassen, wenn er bereit ist. Die Blume wird sich erst dann öffnen, wenn sie vollständig ist und nicht einen Moment zuvor. Wunden werden heilen, wenn die Zeit reif ist und Liebende werden sich finden, wenn sie füreinander bestimmt sind. Wege werden sich kreuzen, wenn sie es sollen und sie werden aneinander vorbeiführen, wenn das Leben andere Pläne vorgesehen hat. Menschen werden kommen, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Andere werden gehen, um Platz für Neues zu machen. Wir leben in einem System unaussprechlicher Schönheit und Intelligenz. Wie könnten wir da nicht voller Vertrauen und Liebe leben? Der Fluss wird weiter fließen. Wild lebendig, elegant, sich seinen Weg suchend und niemals endend. Wie alles auf dieser Welt.

Dieses Erlebnis hat mich übrigens zu einem meiner ersten eigenen Lieder inspiriert. Nach unserem Ausflug zum Fluss, ist es geradezu aus mir herausgeprudelt. Hört doch mal rein! Manuel Borges hat aus meiner Acoustic Version einen richtigen Song gemacht! Das Musikvideo findet ihr hier auf YouTube! Viel Spaß beim Anhören!

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1 kommentiere

Nina 15. Juli 2019 - 17:46

Sehr schön geschrieben. 🙂

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